Fünf Fragen an Dr. Sascha Dietrich Fünf Fragen an Dr. Sascha Dietrich
Laut FIA-Reglement dürfen im Cockpit eines Rennwagens nur Sitze und Sitzschalen zum Einsatz kommen, deren Oberfläche nicht, beziehungsweise nur innerhalb eines gewissen Rahmens entflammbar ist. Maßstab für diesen Sicherheitsstandard ist die ISO-Norm 3795 für Innenausstattungen in Straßen- und Rennfahrzeugen. Um nach der Norm zu prüfen werden kleine Materialproben der Sitzschalen kontrolliert angezündet. Diese Tests hat das unabhängige FILK Institut in Freiberg am unserem SPACER durchgeführt – mit positivem Ergebnis.
Wir haben mit dem Leiter des Prüfinstituts darüber gesprochen.
Warum lassen Unternehmen freiwillig ihre Produkte bei Ihnen prüfen?
Dr. Sascha Dietrich: „Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen nutzen Hersteller von Produkten auch die Möglichkeit, ihre Produkte selber zu prüfen. Das kann verschiedene Gründe haben. Manche Hersteller möchten sich von der Konkurrenz abheben, wieder andere streben besondere Qualitätsansprüche an und prüfen daraufhin ihr Produkt. Und dann gibt es ja auch Normen, die vielleicht nicht gesetzlich verpflichtend sind, aber die der Markt fordert. Häufig sind diese drei Punkte ausschlaggebend. Am Ende kann der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt die erwünschten Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt und die jeweils erforderlichen Produktmerkmale hat. Wir erleben häufig in der Automobilindustrie, dass Hersteller über gesetzliche Normen hinweg höhere Maßstäbe an ihre Produkte anlegen und diese dann auch daraufhin testen.“
Warum ist eine Prüfung nach gewissen Prüfverfahren und -parametern ausschlaggebend?
Dr. Sascha Dietrich: „Da geht es einfach um Vergleichbarkeit der Testergebnisse. Im übertragenen Sinn kann man sich eine Prüfnorm, wie ein Backrezept vorstellen, in dem die Arbeitsgeräte, die Zubereitungsart, Backtemperaturen und -zeiten geregelt sind. Wer auch immer nach diesem Rezept backt, wird immer den gleichen Kuchen aus dem Ofen holen, wenn er mit den gleichen Zutaten arbeitet. Das Prüfungsergebnis deutet darauf hin, ob der dann gelungen ist oder nicht. Wenn also eine Prüfung nach einer gewissen, weltweit anerkannten Norm durchgeführt wird, wie hier im konkreten Fall die ISO 3795, dann kann man davon ausgehen, dass überall auf der Welt unter gleichen Bedingungen getestet wird und das Ergebnis somit vergleichbar ist.“
„Die Besonderheit bei Brennprüfungen besteht darin, dass es hier oftmals um sicherheitsrelevante Bauteile geht. Die konkrete Prüfnorm ist auch gesetzlich verankert. So ist die ISO-Norm 3795 beispielsweise für Innenausstattungen von Kraftfahrzeugen in Europa bestimmend.“
Wie garantieren sie unabhängige und allgemein anerkannte Prüfergebnisse?
Dr. Sascha Dietrich: „Wir sind ein akkreditiertes Institut. Das heißt, auch wir müssen international standardisierte Prozesse, Kompetenzen und Prüfanordnungen nachweisen. Bestätigt und überwacht wird das von der deutschen Akkreditierungsstelle. Das ist also die Prüfung für Prüfer, die regelmäßig bestanden werden muss. Nur so können Sicherheit und Qualität der Laborergebnisse gewährleistet werden.“
Ist eine bestandene Prüfung (konkret für ISO 3795) zugleich eine Zertifizierung für die geprüfte Materialzusammensetzung?
Dr. Sascha Dietrich: „Nein, das ist nicht dasselbe. Produkte und Systeme als Ganzes, inklusive deren Zusammensetzung, Herstellungsverfahren und unter Umständen auch Handelsbeziehungen von Unternehmen können nach gewissen Normen zertifiziert werden. Bei der Prüfung jedoch wird ein bestimmtes Merkmal des Produkts unter die Lupe genommen und daraufhin getestet.“
Können Kunden den Produktversprechen in Bezug auf die geprüften Eigenschaften, z. B. (Nicht-) Brennbarkeit, vollkommen vertrauen?
Dr. Sascha Dietrich: „Grundsätzlich können sich die Kunden darauf verlassen, dass von dem Produkt eingehalten wird, wonach getestet wurde. Wir haben bei den Prüfkörpern (die dem Aufbau von SPACER-Sitzschalen gleichen, Anm. d. Red.) die Brennrate getestet. Diese war unter dem Versuchsaufbau, die die Norm verlangt, gleich null. Das bedeutet, dass das Material der Sitzschale nach Entzünden nicht weitergebrannt hat oder vor Erreichen der ersten Messmarke erloschen ist. Fest definierte Faktoren sind dabei die Flamme, die eine bestimmten Größe haben muss, deren Abstand zum Prüfkörper und die Brenndauer von 15 Sekunden. Wohlgemerkt, getestet unter genormten Laborbedingungen.
Natürlich können bei einem Unfall im Rennwagen andere Umstände herrschen, wie beispielsweise auslaufendes Benzin und Öl oder größere Hitze. Entscheidend ist aber, dass sich das Material nicht selbstentflammt und das sich das Feuer nicht so einfach und besonders schnell durch das Material fressen kann.“
Informationen zum FILK Institut in Freiberg
Das unabhängige FILK Institut in Freiberg blickt auf eine mehr als 130-jährige Erfahrung in Forschung und Materialprüfung zurück. Während anfangs noch Leder eine gewichtige Rolle spielte, wird seit den 1960er Jahren an Alternativmaterialien zu den tierischen Produkten geforscht. Inzwischen ist das Institut nach eigener Aussage weltweit führend bei der Entwicklung, Funktionalisierung und Prüfung flexibler mehrschichtiger Polymermaterialien. Im akkreditierten Prüflaboratorium (DIN EN ISO/IEC 17025) wir ein umfangreiches Portfolio an physikalisch-mechanischen Prüfmethoden zur Materialcharakterisierung, chemischen und thermo-chemischen Analyseverfahren zur Schadstoffanalytik sowie Untersuchungsmethoden zur Bestimmung der Emissionseigenschaften angeboten.
Weitere Infos unter: www.filkfreiberg.de
Mehr Informationen zur Entflammbarkeitsprüfung des SPACER im Beitrag „Feuer und Flamme für Sicherheit im Motorsport: SPACER getestet„